Basteln im Chaos – Backstage bei Mies Nobis

Photos via Kai La Quatra
Der Koffer ist noch nicht ausgepackt, da bellt schon das I-Phone vor dem Bett der erschöpften Kreativaktionistin. Mit einem Designer-Preis in der Tasche hat Millicent Nobis unter dem Labelnamen Mies Nobis einen Stand auf der renommierten Pariser Design-Messe PREMIERE CLASSE gewinnen können. Lange anstrengende Tage liegen hinter ihr, aber diese Woche ist noch nicht um.

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„Es gibt sehr viel zu tun“, stöhnt die blonde, langbeinige Schmuckdesignerin und blickt nicht mal auf, als ihre Mitbewohnerin in die Küche schleicht. Chaotische Schaffenstage gehören zu ihrem Leben wie der Kaffee am Morgen vor dem Mac. Beinahe hätte sie auf dem Rückweg auch noch ihren Flug verpasst. „Mir passieren ständig solche Dinge. Ich habe mich einfach in der falschen Reihe angestellt, weil ich davon ausgegangen bin, dass ich direkt nach Paris fliegen würde – den Zwischenstopp in Zürich hatte ich einfach vergessen“, lacht sie völlig erschöpft.

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Neben Schmuckboxen und Klamottenbergen türmen sich Notizblock, I-Phone und einzelne Stücke ihrer Skellet-Kollektion. Ihr winziger Arbeitsplatz in der Ecke ihres WG-Zimmers, der im Wesentlichen aus einer Holzplatte und Baumarkt-Böcken besteht, reicht gerade mal für das Nötigste. Erstaunlich, was man mit viel Phantasie und einigen Werkzeugen so basteln kann: Hammer, Drähte, Metall, Plexiglas, Baumarktschrauben, Sekundenkleber, Perlen und Farben sind einige der verwendeten Hilfsmittel, die dann irgendwann Teil einer Kollektion werden können. Manchmal sind es auch einfach Tierskelette oder Holzstücke, die auf dem Wegrand liegen und die junge Visionärin zu neuen Kollektionen inspirieren.

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Die Nacht war kurz, die letzten Tage anstrengend, aber vielversprechend. Nun folgen weitere Ausstellungstage in Berlin. Gerade rechtzeitig hat die Designerin das Lookbook zur Skellet-Kollektion zusammengestellt. „Ich organisiere gerne Shootings, kümmere mich um das Marketing und kontaktiere Fotografen und Modelle“, erklärt Mies Nobis. Nackte Haut und pinke, lange, blonde Haare sollten es dieses Mal sein. Fast hätte sie Niemanden finden können, „viele Models sind einfach nicht locker genug“, findet sie. Jetzt müssen die Fotos noch ordentlich gedruckt werden, bevor sie sich selber vor die Kamera stellt. Ungeduldig blättert sie in einem Copyshop die frisch gedruckten Exemplare durch, dann ist sie schon wieder auf dem Sprung – ein Musikvideodreh in Pankow.

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Neben ihrer Tätigkeit als Designerin und Model steht sie auch des Öfteren hinter und vor dem Tresen. Das macht sie ein gefühltes halbes Leben lang. Auch in Sydney konnte sie so ihr Fashion-Studium und ihr Praktikum bei der Designerin Hannah McNicol finanzieren. In Berlin hat die zierliche Blondine das Modeln als Finanzierungsquelle und Kontaktpool entdeckt. Auch für eigene Projekte spannt Millicent Models und Fotografen, bei denen sie zuvor selbst Model gestanden hat, in ihre Shootings ein.

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Weit entfernt von dem praktischen Anspruch der Modewelt konzentriert sich Mies Nobis auf ihre eigenen extravaganten Schmuckkreationen, die alltagstauglich sein sollten. Nach längerer Bastel- und Probierphase mit verschiedenen Materialien suchte sie nach Schulen und Workshops, um spezielle Produktionstechniken zu erlernen. Künstlerisch anspruchsvoll und nicht dem Geschmack des Mainstreams entsprechend, werden Formen und Farbgebung, Spielereien und Objekte Teil eines Arbeitsprozesses. Nun arbeitet Millicent schon seit über einem Jahr als selbständige Schmuckmacherin ihrer eigenen Kollektionen, die sie in Online-Shops sowie in Sydney, den Blue Mountains, Amsterdam, Berlin und Köln verkauft. Die ersehnte Freiheit macht sich in ihren extraordinären Stücken bemerkbar. Zu jeder Saison etwas Neues kreieren, muss sie so nicht, denn sie ist nicht von den Modesaisons abhängig: „Ich könnte nicht so viel designen, wenn ich meine kreative Freiheit aufgeben müsste“, erklärt sie ihre Schaffenslust.

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Neben Interviews für Blogs und einschlägige Magazine, wie Vogue Italy und Vice-Magazin, gestaltet die ambitionierte Designerin ihren eigenen Blog – Mies in Berlin. Dort lässt sie sich über ihren chaotischen Alltag, die Fashionwelt sowie interessante Künstler aus. Sie selbst sieht sich als kreative Chaotin, die ihr Leben liebt, aber dennoch zu perfektionistisch ist, um allzu schnell mit ihrem Tun als Designerin, Bloggerin, Model, Barfrau,… zufrieden zu sein. Bleibt neben ihren Kollektionsproduktionen, Modeljobs und dem Bloggen Zeit, organisiert sie Shootings für ihre Lookbooks und gestaltet Projekte befreundeter Künstler. Wenn sie an diesem Ausstellungstag im „Baerck“ nach einem straffen Zeitplan bereit steht, bevor potenzielle Kunden und Freunde über die Türschwelle treten, dann haben sich die zeitintensiven Vorbereitungen gelohnt. In letzter Minute arrangiert sie ihre Schmuckkästchen, komponiert Armreif neben Ringen und Ketten. Jetzt kann es losgehen: Frisch gestylt und mit einem Glas Sekt bewaffnet, schafft sie eine lockere Atmosphäre zum Austausch über Kollektionen und neue Kreationen. Nach ein paar Stunden ist auch schon wieder alles vorbei und Millicent muss wieder los zum nächsten Einsatzort. In einer gemütlichen Mitte-Bar befindet sich einer ihrer Nebenjobs als Barmädchen für alles. Auf einem Tablett balanciert die zierliche Große mit letzter Kraft Cocktails für durstige Nachtschwärmer.

Text by Julia Keesen

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